Wunderbluthostien aus Wilsnack

Original

Wilsnack Pilgerabzeichen

Das hier vorliegende Pilgerabzeichen stammt vom Pilgerort Wilsnack. Es zeigt drei Stationen des Lebens Christi: die Kreuzigung (oben links), die Auferstehung (oben rechts) und die Marterung Christi (unten). Das Original des Pilgerzeichen stammt aus den Stader Hafengrabungen und wird auf das späte 15. Jahrhundert datiert. Es ist 30mm x 35mm groß.

Wilsnack gilt als einer der wichtigsten Pilgerorte des Spätmittelalters und wird auch das "Santiago Nordeuropas" genannt. Der Pilgerort war im Spätmittelalter genauso wichtig wie die Rheinische Pilgerregion Aachen-Maastricht-Trier-Köln

Abb 1: Wilsnack Pilgerabzeichen auf einem Gemälde des 15. Jh.

Abb 1: Wilsnack-Pilgerzeichen auf Gemälde, 15. Jh.

Der Legende nach brannte der Ritter Heinrich von Bülow 1383 den Ort in Brand, nachdem die Bewohner Wilsnack für das Kirchweihfest in Havelberg verlassen hatten. Der Pfarrer Cabbuez fand dann beim Aufräumen drei mit Blutflecken verfärbte Hostien unversehrt in den Trümmern der niedergebrannten Kirche. Kurz darauf ereigneten sich zudem Wunder um die drei Hostien.

Durch Förderung der Bischöfe des Umlandes und später der römischen Kurie entwickelte sich Wilsnack innerhalb weniger Jahre zunächst überregional und später auch international bekannten Pilgerort. Im 14. bis ins 16. Jahrhundert gilt Wilsnack als einer der wichtigsten Pilgerorte Nordeuropas und seine signifikanten Pilgerzeichen mit den drei Hostien finden sich auf vielen zeitgenössischen Gemälden von Pilgern wieder.

Die Pilgerschaft zu den drei Wunderbluthostien brachte dem Ort so viel Wohlstand ein, dass die Pilgerfahrt auch zunächst die Reformation überstand. Erst 1552 verbrannte der erste protestantische Prediger Wilsnacks die drei Hostien.

Hostien galten und gelten nach katholischem Ritus nach der Weihung als Teil des Leibes Christi. Nach der sogenannten "Transsubstantation" sind die Hostien der Leib Christi. Dadurch sind Hostienreliquien noch unmittelbarer ein Teil der katholischen Heilslehre als Gewandreliquien Christi, da hier der Leib Christi vorhanden ist. Zudem glaubten die Menschen im Spätmittelalter, dass ein Hostienwunder ein unmittelbares Eingreifen Christi auf Erden ohne die Mittlerrolle der Heiligen ist.

Das Original des Pilgerzeichens gehört in die Sammlung der Museen Stade und wurde auch in der Pilgerspuren-Ausstellung ausgestellt. Es handelt sich um ein nahezu perfekt erhaltenes Pilgerzeichen. Häufig sind die beiden Kreuze abgebrochen. Obwohl auf dem Stader Fund nicht mehr nachzuweisen, wurden die Wilsnacker Pilgerzeichen häufig mit roter Farbe bemalt um an die blutenden Hostien zu erinnern (siehe Abb 1)


Replik

Rekonstruktion des Pilgerzeichens aus Wilsnack Rekonstruktion des Pilgerzeichens aus Wilsnack mit Krapplack Rekonstruktion des Pilgerzeichens aus Wilsnack mit Zinnoberlack

Aufgrund der Wichtigkeit des Pilgerortes wollten wir das Abzeichen bereits seit dem Frühjahr 2020 in Angriff nehmen, allerdings haben uns andere Projekte für die Pilgerspurenaustellung (www.pilgerspuren.de) davon abgehalten.
Im Nachhinein hat sich das als Glücksgriff erwiesen. In der Ausstellung liegt ein nahezu perfekt erhaltenes Exemplar des Pilgerzeichens. Und so konnten wir nach Ausstellungsbeginn auf sehr gutes Bildmaterial dieses Fundes Zugriff bekommen, dass uns durch Dr. Jörg Ansorge zur Verfügung gestellt wurde.

Wir haben das Pilgerzeichen sowohl unbemalt als auch zwei Versionen mit roter Färbung der Hostien im Programm. Ursprünglich dachten wir, dass die farbigen und die unbemalten Versionen nebeneinander bestanden haben. Inzwischen sind wir überzeugt, dass das Pilgerzeichen in Wilsnack wohl ausschließlich mit roter Färbung ausgegeben wurde. Alle Literatur, die wir sichten konnten, geben an, dass das Pilgerzeichen mit roter Färbung versehen war. Auf dem Gemälde in Abb 1 ist die Färbung zu erkennen. Auf anderen Gemälden ist die Färbung nicht zu sehen, auch auf den meisten Funden des Pilgerzeichen ist keine Farbe nachgewiesen worden. Uns ist nur das Pilgerzeichen aus Wienhausen bekannt, dass Farbreste aufweist.

Originales Pilgerzeichen im Wilsnacker Museum mit Farbresten

Abb 2: Pilgerzeichen mit Farbresten im Museum in Wilsnack

Die von uns verwendeten Farben sind angelehnt an das Rezept 172 aus dem Liber illuministarum. Beide LAcke bestehen als Bindemittel aus Gummi arabicum, Zucker (im Rezept wird Kandis angegeben) und Wasser. Eine Färbung wird mit Krapplack angerührt, die andere mit Zinnober. Es gab damals diverse Rezepte für Farben, mit diversen Bindemitteln, die aus verschiedensten Haut-, Knochen-, Pergament- oder Mundleimen bestehen. Aufgrund der Hinweise und Tipps von Clemens Nimscholz von Buchmaler.org und Philipp Heil von HistoFaber haben wir uns für eine Bindemittel-Rezeptur entschieden, die für die Vergoldung von Glas geeignet ist. Unsere vorherigen Versuche auf Basis von Knochenleim boten nicht genug Halt der Farbe auf dem Zinn. Die Farben auf Basis von Buchbinder- und Hautleim, glänzten nicht genug.

Wir sind inzwischen davon überzeugt, dass die Färbung mit Zinnober näher am Orginal ist. Die Farbreste auf dem Fund aus Wienhausen passen besser zum Zinnober als zum Krapplack. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass Ziegelmehl als Farbstoff verwendet wurde. Zwei Fund von Heiligblut-Pilgerzeichen aus Güstrow tragen eine auf Ziegelmehl basierende Färbung. Für die Verwendung des viel billigeren Ziegelmehls spricht der Massenware-Charakter von Pilgerzeichen. Gegenüber Krapplack und Zinnober ist Ziegelmehl (pulverisierter Ziegelstein) deutlich günstiger. Leider existieren bisher keine Analysen der Färbung auf den Wilsnack-Pilgerzeichen, die noch Farbreste tragen.

Wir danken an dieser Stelle den Herren Doctores Ansorge, Möllers und Kühne für die Bilder und die Möglichkeit den Stader Fund rekonstruieren zu können.

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