Nicht immer ist es so einfach ein Pilgerzeichen dem korrekten Pilgerort zuzuordnen. Als Anhaltspunkte für den Pilgerort, der ein bestimmtes Pilgerzeichen ausgegeben hat, dienen heute mehrere Quellen.
Zum Einen verwendet man Glockenabgüsse. Hier läßt sich sehr gut die Datierung ermitteln, da der Guss einer Glocke häufig in Archiven zu finden oder gar auf der Glocke eine Jahreszahl vermerkt ist. Manchmal steht in den Dokumenten sogar der Pilgerort des Zeichens mit vermerkt. Gerade für deutsche Glockenabgüsse ist das eine sehr gute Quelle. Zum 1. Weltkrieg wurden für die Rüstungsindustrie sehr viele Kirchenglocken eingeschmolzen. In diesem Rahmen hat man die Glocken, die später zu Kanonen werden sollten vorher inventarisiert und dabei auch die Entstehungsjahre und Abbildungen aufgenommen. In den 1940ern dann nahm sich Kurt Köster die Inventare vor und systematisierte und erweiterte die Sammlung. Es entstand die deutsche Pilgerzeichendatenbank und Kurt Köster gilt bis heute als "Urvater" der Pilgerzeichenforschung in Deutschland. Die Datenbank existiert bis heute und ist u. a. dank der Bemühungen von Dr. Hartmut Kühne inzwischen sogar online abrufbar (www.pilgerzeichen.de, derzeit im Neuaufbau). Zudem betreut die Universität Radboud die (online-)Datenbank kunera.nl. In diesen oder ähnlichen Datenbanken sammeln Pilgerzeichenforscher aus allen europäischen Ländern ihre Funde und kategorisieren sie. Es kommen zudem ständig neue Fundorte hinzu.
Ein Beispiel ist der Pilgerort Steinkirchen, der eigentlich erst durch die Stader Hafengrabungen bekannt wurde (Abb. 1). Im Stader Hafen fand man über 200 Pilgerzeichen, auffallend viele mit einem bisher unbekannten St. Hulpe. Da es keine überregionalen Pilgerorte gibt, die diesen Hulpe ausgaben, vermutete man einen Ort in der nähe von Stade. Zum Vergleich: den 9 Stader Hulpes stehen 31 Pilgerzeichen aus Wilsnack und 13 aus Köln gegenüber. Wilsnack und der Raum Köln-Aachen gelten als DIE Pilgerorte des Spätmittelalters. Also musste ein dermaßen unbekanntes Pilgerzeichen aus der Umgebung von Stade stammen. Eine weitere Forschung ergab, dass ca 15 km von Stade entfernt ein Hulpe-Kreuz als Pilgerort in den Archiven zu finde war: Steinkirchen.(Abb. 2)
Bei der schieren Anzahl der bisher publizierten Pilgerzeichen ist es nicht verwunderlich, wenn sich hier auch Fehler einschleichen. Z.B. ist unser Pilgerzeichen, das wir eigentlich als Aachener Zeichen deklariert hatten, ist gar nicht aus Aachen sondern vom Gollenberg bei Koszalin in Westpommern/Polen (deutsch Köslin). Aber wir sind da nicht alleine mit der falschen Zuordnung (gewesen). Selbst in der großen Datenbank Kunera.nl der Universität Radbout in den Niederlanden, werden die Abzeichen aus vom Gollen(berg) bei Koszalin als Aachener Abzeichen.
Die Pilgerabzeichen vom Gollenberg aus dem 14. Jh.. Kopien dieses Abzeichens wurde sowohl in Danzig (Abb 3/PzDB #847) als auch Dordrecht (Kunera 06557) und Amsterdam (Kunera 06556) gefunden. Es wird häufig mit älteren Pilgerzeichen aus Aachen verwechselt und taucht mit dieser Einordnung in der Literatur - und wie schon gesagt - in Datenbanken auf.
Aachener Pilgerzeichen haben jedoch Türme auf dem Giebel, die vom Gollenberg tragen Kreuze. Eine weitere Eigenheit der Gollenberger Pilgerzeichen ist der "Micky-Maus-Stil" der Abbildung und die bekrönte Maria.
Erkennen kann man die Zeichen vom Gollen daran, dass die Giebel über der Maria nicht von einem Türmchen gekrönt sind (Abb. 4), wie bei Aachener Flachgüßen. Die Gollener Zeichen sind von Kreuzen bekrönt. Zudem wurden in Aachen im 14. Jahrhundert nur selten Flachgüße verkauft, sondern bereits sehr kunstvolle Gittergüsse (Abb 5). Wie in unserer Rekonstruktion stimmen die Proportionen zwischen dem Jesuskind und der Maria nicht. Unsere Version stammt aus einem englischen Auktionshaus, in dem es vermutlich aus dubiosen Quellen gelandet ist.