Und zwar genauer gesagt um das Material, aus dem wir unsere Produkte gießen. Bisher verwenden wir - völlig unhistorisch - bleifreies Zinn. Jetzt sollte man wissen, dass der Begriff "Reinzinn" nicht bedeutet, dass es 100%iges Zinn ist. In Deutschland dürfen diverse Zinnlegierungen als Reinzinn bezeichnet werden. Das von uns verwendete Zinn ist bleifrei. Es enthält bis zu 8% andere Metalle. In der Regel sind das Kupfer und Antimon. Beide Metalle dürfen in lebensmittelechtem Zinn verwendet werden. Aber darum soll es heute eigentlich nicht gehen.
Es soll heute um das Zinn gehen, dass im Spätmittelalter verwendet wurde. Und dabei muss man nun unterscheiden zwischen Zinnprodukten für den täglichen Bedarf und Zinnabzeichen. Für die ersteren gelten in der Regel die von der Zunft festgelegten Qualitätsmerkmale. Die sehen in der Regel einen maximalen Bleianteil im Zinn vor (zB 9 Teile Zinn, 1 Teil Blei). Auch fremdes Metall darf nur mit diesen Anteilen verschnitten werden.
Für das Material von (Pilger-)Zeichen scheinen diese Regeln jedoch nicht zu gelten. Untersuchungen an Zinnabzeichen ergaben zT sehr viel höhere Bleianteile von teilweise über 50%. In Tab 1. sieht man die Blei- und Zinngehalte einiger der in Stade bei der Hafengrabung gefundenen St.-Hulpe-Pilgerzeichen. Zudem ist bekannt, dass Zinnabzeichen auch aus wiederverwendetem Zinn gemacht wurden. Auch damals gab es bereits einen Recycling-Markt. Die allermeisten Zinnabzeichen liegen jedoch bei einem Bleianteil von etwa 1/3. Interessanterweise sind Blei-Zinn-Legierungen von 2/3 zu 1/3 vom Gießverhalten dem reinen Zinn sehr ähnlich, der Schmelzpunkt liegt jedoch deutlich niedriger. Diese sogenannte eutektische Legierung hat einen Schmelzpunkt von 183℃, während reines Zinn erst bei 232℃ schmilzt. Die Legierung ist zudem deutlich weicher.
Der direkte Vorteil von "Lebensmittel"-Zinn gegenüber dem historisch korrekteren Blei-Zinn-Gemisch ist der unproblematische Umgang. Blei ist giftig und kann über Haut und die Dämpfe (zB der Schmelze) aufgenommen werden. Allerdings gibt es auch Nachteile.
So fließt die eutektische Zinnlegierung deutlich besser in gerade feinere Gussformen. Gerade Pilgerzeichen im Gitterguss lassen sich in bleifreiem Zinn nur mit großen Mühen oder gar nicht ausgießen. Das Problem stellt sich bei uns derzeit beim Pilgerzeichen aus Bad Münder (Harburger Fund/Abb. 1). Wie bereits im Artikel Dazulernen 3 erwähnt muss dann die Form so geschnitzt werden, dass das Zinnzeichen deutlich dicker wird.
Ein weiterer Nachteil ist die Biegsamkeit der Gusserzeugnisse. Gerade bei Gürtelbeschlägen ist bekannt, dass die häufig nicht vernietet, sondern per angegossenem Dorn durch den Gürtel gesteckt und dann einfach umgebogen wurden. Bleifreies Zinn bricht dabei häufig. Die bleihaltigen Legierungen lassen sich problemlos umbiegen.